Grimms Welt Reisen, Geschichten und Politik

31. Juli 2013

Panzer!

Filed under: Reiseberichte — Grimm @ 18:00

Ich bekam ja – wie mittlerweile so ziemlich jeder wissen sollte der mit mir in den letzten Monaten sprach – von meiner lieben Arbeitsgruppe zum Abschied neben einer Tasse samt Unterschriften auch einen Gutschein über eine Panzerfahrstunde geschenkt. Damit erhielt ich die Gelegenheit endlich mal selbst so ein Gefährt lenken, nachdem ich bisher nur in einem stillstehenden, wenn auch fahrbereiten Panzer V (aka Panther) sitzen konnte.

Zur Auswahl standen 2 verschiedene Panzertypen. Zum einen ein Bergepanzer des Modells T55; diese werden eingesetzt, wenn andere Kampfpanzer im Felde steckenbleiben. Mit normalen Abschleppautos ist da nunmal nicht so viel zu machen. Es gibt diese Dinger auch als Leopard 1 und 2. Das zweite Modell war ein BMP, ein Unterstützungspanzer, der als Truppentransporter fungiert. Die Bewaffnung ist nicht super (ok, besser als im Bergepanzer), die Panzerung ist lausig und die Ketten sind deutlich schmaler. Da ich mal wissen wollte, wie es sich so in einem Truppentransporter fährt, habe ich diesen gewählt. Die acht Mann hinten drin hätten (hätte es sie bei meiner Fahrt gegeben) sicherlich nicht viel Spaß gehabt, so eng wie es da drin ist, aber ich… Ich war ja der Fahrer.

So bekam ich eine dämliche Mütze auf, in der das Headset eingebaut ist, mit welchem man mit dem Fahrlehrer „kommunizieren“ kann. Anführungszeichen, weil die Qualität der Übertragung mies ist und die Fahrzeuge irrsinnig laut sind. Dann durfte ich mich an den Bordfunk anschließen und konnte den gebrüllten Anweisungen lauschen. Die brauchte ich auch dringend, denn so ein Panzer fährt sich irgendwie anders als ein Auto. Ich bin ja schon gewöhnt, daß ich die Gänge reinhauen muß, mein VW-Bus mag es auch nicht anders haben. Wenn man da nicht haut, kommt statt es 1. der 3. und statt des 2. der 4. Gang. Wenn man Pech hat, kommt manchmal auch der Rückwärtsgang statt des ersten Gangs, dann hat man zu arg gehauen und der Hintermann kriegt große Augen. Ich schweife ab.

Ja, die Gänge. Man muß sie wirklich so stark reinrammen, daß man Angst bekommt, aber nur dann klappt es wirklich richtig. Die Positionen für die verschiedenen Gänge konnte ich mir eh nicht merken, so daß mir der Fahrlehrer sie mir netterweise immer wieder ansagte. Er gab auch praktischerweise immer wieder Ansagen ob zu bremsen oder Gas zu geben sei und wohin ich fahren sollte. Denn wenn man in dem Gefährt sitzt, sieht man so gar nüscht. Man hat zwar ein wenig Ausblick nach vorne, aber das gibt ein nur einen sehr groben Eindruck davon, was da wirklich vor einem liegt. Erst wenn man den Sitz hochstellt und man mit dem Kopf ordentlich rausschaut, dann kann man richtig fahren. In einer Konfliktsituation ist das natürlich nicht so prima, aber es war ganz friedlich auf dem Platz.

So fuhr ich auf Hügel rauf, fuhr durch Pfützen, raste mit gefühlten 50 Sachen über den Platz, die eher tatsächlichen 30 km/h entsprachen. Ich fuhr unter Anleitung des Lehrers rückwärts einen weiteren Hügel hoch, was ohne Rückspiegel wirklich komisch ist. Nach einer Weile bekam ich ein wenig ein Gefühl für den Panzer und dann war leider auch die Fahrstunde schon wieder vorbei.

Ich war etwas enttäuscht vom frühen Ende und begeistert von der Zeit hinterm Steuer. Darum löcherte ich den Typen noch ein wenig, der daraufhin erzählte, daß sie die Geräte nicht am Stück gekauft hätten, sondern aus Einzelteilen zusammengebaut hätten. Die funktionierenden NVA-Bestände waren nämlich im Hochofen gelandet. Ihr Hobby wurde aufgrund von Medienberichten bekannter und dann drängten die Leute darauf auch mal fahren zu dürfen, womit die Fahrschule gegründet wurde. Als ich weiter fragte, wie oft sie die Dinger reparieren müßten, meinte er etwas ausweichend, daß ein schlechter Fahrschüler die bei einer Fahrt schrotten könne. Sie seien sehr fragil gebaut, die Planung der Geräte hatte eine Überlebenszeit von zwei Minuten in der Schlacht vor Augen. Länger brauchten sie also nicht zu halten und sollten im Idealfall noch zwei Fahrzeuge des Gegners mitnehmen. Verifiziert habe ich das nicht, aber ich glaube es ihm einfach mal. Zumindest den Teil mit der Fragilität, denn reparieren muß er die Dinger ja…

Ich habe unten ein paar Photos angehängt, die ich nach der Fahrt machte.  Hier ist auch ein Video zum Anschauen. Ein besonders Schmankerln kann ich euch noch versprechen! Wenn ich wieder zurück bin, werde ich die aufgenommene DVD meiner Fahrt in ein kleineres Format konvertieren und online stellen. Dann seht ihr mich breitgrinsend den BMP durch die Gegend gurken. Aber etwas Geduld muß noch sein, so ein paar Monate.

Mit diesen Worten entlasse ich euch in die Galerie.

23. Juli 2013

Osten, Westen ist doch egal

Filed under: Reiseberichte — Grimm @ 20:49

Kurz vorweg, ich füge keine Bilder mehr direkt in den Text ein; sie werden stattdessen gesammelt in eine Galerie am Ende des Textes zu finden sein. So kann ich mehr Bilder einfügen und muß nicht immer glauben dies textlich begründen zu müssen.

Nachdem meine ursprünglichen Pläne einer Mittelmeerumrundung durch die gar nicht so nachbarschaftlichen Verhältnisse zwischen den diversen Anrainern und den diversen Frühlingserscheinungen zunichte gemacht wurden, entschied ich mich für eine Tour durch den Osten Europas und damit auch für den Osten Deutschlands.

Kurze Unterbrechung für einen Todeskampf, der gerade auf meinen Tisch geplumpst ist. Eine Libelle hat vermutlich im Fluge eine Schwebewespe am Schopfe gepackt und ist in einer Art Umarmung neben mir herniedergegangen. Jetzt weiß ich zumindest mal wovon Libellen so leben. Schnell ist ihre Nahrungsaufnahme hingegen nicht, sie sitzt da jetzt schon 5 Minuten und saugt an ihrem Wespchen, welches sich nur selten noch rührt. Vollkommen unbeeindruckt von meinen Aufnahmen dieses Stillebens.

Weiter im Thema. Ich war bis zu dieser Reise noch nie lange im Osten, außer zur Durchreise nach Berlin, zu einer der vielen Konferenzen, die ich dort besuchte. (Die Libelle ist nun satt und proper hurtig entfleucht und hinterließ eine etwas vertrocknete und verschrumpelte und auch definitiv tote Wespe auf meinem (!) Eßtisch.) Entsprechend ging ich mit einer gewissen Neugier auf dieses Neuland zu. Einen Teil habe ich ja schon erwähnt, das Grenzmuseum und auch Frankfurt (Oder).

Zunächst wollte ich meine Reise mit der Wartburg beginnen, da Merrit dort während der Schulzeit ein Landheimaufenthalt verbrachte und ich darauf immer ein wenig neidisch war. Meine Fahrt dorthin führte über phantastische Straßen. (Man merkt, ich schreibe diesen Text in Polen, wo gute Straßen darüber definiert sind, daß die Schlaglöcher wenigstens ein wenig mit Kaltasphalt geflickt wurden oder aus gutem Kopfsteinpflaster bestehen.) Die Fahrt mußte jedoch unterbrochen werden, als ich am Straßenrand ein altes Jagdschloß erblickte. Dieses Schloß Wilhelmsthal wurde Ende des 17. Jahrhunderts errichtet und durch mehrere Bauten erweitert. Im Laufe des 20. Jahrhunderts ging es an den Staat über, ich vermute mal, daß die ursprünglichen Besitzer enteignet wurden, und verfiel nach der Wende dann. Mittlerweile wurden Sicherungsmaßnahmen ergriffen und die ersten Gebäude werden aufwendig saniert (im Rahmen des Konjunkturprogrammes II, welches ich hiermit als sinnvoll einschätze). Die Gebäude sind teilweise sogar auch bewohnt, die schönsten sind aber leider noch akut einsturzgefährdet. Aber ich bin zuversichtlich, daß die meisten Gebäude überleben werden.

Nach diesem Umweg fuhr ich dann endlich zur Wartburg und fand eine wohlrestaurierte Burg wieder, die ein wenig wie die Hochkönigsburg wirkte. Viel zu neu, viel zu renoviert, viel zu viel neu aufgebaut. Das ist natürlich ein Widerspruch zu der Freude über den Wiederaufbau des Jagdschlosses. Aber während der Verfall des Schlosses aufgehalten wurde und rückgängig gemacht wurde, wurde die Wartburg eher wieder aufgebaut. Man stelle sich vor dem Heidelberger Schloß würde dies widerfahren. Das wäre eine Katastrophe. Ähnlich enthusiastisch empfand ich entsprechend die Wartburg. Vielleicht lag dies auch daran, daß ich eben die Hochkönigsburg im Elsaß schon zweimal besucht hatte und daher das renovierte und vollständige Aussehen solcher Burgen schon kannte. Was auch nicht half, war der Führungszwang. Ich verstehe das in einer Tropfsteinhöhle eher als in einer Burg. Ich möchte nicht durch die Räume geführt werden, ich möchte nicht zusätzlich für eine Photographieerlaubnis bezahlen. Ich möchte in Ruhe durch die Räume gehen, Erklärungstexte lesen und ab und an die Kamera ergreifen, so ich es möchte. Darum gibt es auch von den nicht so beeindruckenden Innereien der Wartburg keine Photos von mir, auch nicht vom nicht vorhandenen Tintenfleck eines gewissen M. Luthers.

Der weitere Teil der Reise durch Ostdeutschland verlief recht ähnlich. Es gab beeindruckende Orte, wie Dahme, Beeskow, Creuzburg und natürlich den Harz. Es gab aber auch Städte wie Madgeburg, die leider auf mich keinen Reiz mehr ausübten, da sie zu sehr unter dem Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg gelitten haben. Eine weitere Enttäuschung war das Museum an den Seelower Höhen, welches in der Zeit sehr gelobt wurde. Dieses bestand aber nur aus einem kleinen Raum (wieder mal war für 2 Euro eine Photoerlaubnis zu erstehen), in dem hauptsächlich Multimediagedöns stand. Ich hatte nach der sehr positiven Berichterstattung in der Zeit wohl zu viel erwartet. Aber ich war beim Herumfahren in der Gegend mal wieder überrascht, wie sehr doch die nicht sonderlich hohen Höhen in der damaligen Schlacht den Verteidigern einen Vorteil verschafften. Die Wehrmacht verlor diesen Kampf natürlich, aber die Soldaten der Roten Armee bezahlten dies mit deutlich höheren Verlustzahlen. Dies so kurz vor Ende des Krieges (weswegen wohl auch viele Rotarmisten lieber desertierten, als zu diesem Zeitpunkt noch zu sterben)…

Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, ich wollte dem Osten Deutschlands meine Freundschaft aussprechen. Nachdem ich die letzten 20 Jahre diesem Teil Deutschlands indifferent gegenüberstand, bin ich mittlerweile begeistert von der Landschaft und den Leuten. Ich hoffe, daß noch viele Investoren und Firmen erkennen, daß man in der Gegend sein Geld lassen sollte. Ich hoffe, daß noch viele Touristen den Schatz im eigenen Lande erkennen und dorthin fahren. Hoffentlich bleiben dann auch mehr junge Leute im Lande oder kehren zumindest wieder dorthin zurück. Ich wäre einer Stelle in der Gegend sicherlich nicht abgeneigt. Vielleicht führt ja die Nachbarschaft zu Polen zu belebenden Effekten? Ich hoffe es sehr.

Mit diesen Worten schließe ich diesen Eintrag und überlasse die Leser jetzt der Galerie und dem Ausblick auf einen zukünftigen, kurzen Eintrag über meine Panzerfahrstunde, die mir von meiner Arbeitsgruppe zum Abschied geschenkt wurde.

 (Anklicken eines Bildes öffnet theoretisch eine Galerie. Manchmal auch nicht. Ich weiß nicht so recht woran es liegt, aber das langsame Netz macht keine Lust das noch länger zu erkunden. Und ja, das Layout der Bildunterschriften ist Schrott, dito.)

18. Juli 2013

Ostdeutschland

Filed under: Reiseberichte — Grimm @ 22:07

Ich habe mittlerweile meine Tour durch Ostdeutschland abgeschlossen, heute bin ich in Polen eingereist. Ich werde bei Gelegenheit auch noch ausgewählte Stätten präsentieren, es sei schonmal gesagt, der Osten ist sauschön. Ich kann eine längere Reise sehr empfehlen und ich habe mir noch nichtmal Dresden und Leipzig angeschaut, sondern kleine Käffer. Aber dazu in absehbarer Zeit mehr, wenn ich wieder so gutes Netz habe wie heute.

Führungen und anderes

Filed under: Reiseberichte — Grimm @ 22:01

Ich will heute über ein Phänomen reden, welches ich immer wieder auf meinen Reisen erleben darf. Ich scheine irgendwie Glück zu haben, was Führungen angeht und das geht hoffentlich auch nach diesem Eintrag auch so weiter.
Während einer Italienreise lief ich planlos durch Genua und schaute an, was auffiel. Eines der Kleinode, die ins Auge fiel, war eine kleine Kirche.

Eine kleine Kirche

Ich ging hinein und schaute mich interessiert um. Irgendwann kam die Aufsichtsperson — ein Mann so vermutlich um die Mitte dreißig – auf mich zu und präsentierte ein Gemälde voller Stolz. Dazu machte er eigens ein separates Licht an, damit jenes besser wirken konnte. Dann fragte er in seinem italienischen Englisch, ob Lust bestünde das angeschlossene, kleine, nicht-öffentliche Museum der Kirche anzuschauen. Ich antwortete in meinem deutschen Englisch, daß es eine Freude wäre. So führte er durch Nebenkammern, Seitenaufgänge, klimatisierte Räume, in denen die unerwarteten Schätze der Kirche lagen. Vor lauter Erstaunen und Zuhören vergaß ich leider Photos zu machen, aber es waren kunstvolle Schnitzereien zu sehen, erste Versuche deutscher Maler in Italien perspektivisch zu zeichnen (köstlich!). Sozusagen: „… fast so schlecht wie das Bild von Malte!“ (Zitat Fr. von Poser in einer der quälenden Kunststunden). Es war begeisternd und ich verließ die Kirche verzückt und verwirrt nach dieser überraschenden privaten Führung.
Danach ging dieses Glück ein wenig schlafen und erwachte erst in diesem Urlaub wieder. Zunächst einmal fand ich mich zufälligerweise in einem Grenzmuseum wieder. Ich hatte das Schild am Straßenrand gesehen und dachte mir: Na gut, das paßt noch rein. Nicht wirklich, ich kam so ca. 15 Minuten bevor das Ding schließen sollte. Ich lief nichtsdestoweniger zur Kasse und bat um Einlaß.

Das Museum

Man beachte bitte das Hinweisschild, ich finde es paßt irgendwie zum Thema.

Passt doch zum Thema

Die Dame sagte dazu nur, ich solle mich einer Gruppe tschechischer Schüler anschließen, die gerade mit einer Führung angefangen hatte. Zudem führte sie aus, daß ich auch nicht so viel zahlen müsse, da es ja schon so spät sei. Ich fügte mich diesem Schicksal (weniger zahlen und eine Führung!) und hörte den Erzählungen eines Zeitzeugen zu.

Letzte Strecke

Der Mann konnte sehr bildlich die Zeit wiederaufleben lassen, verwendete dazu sehr facettenreiche Sprache und holte oftmals etwas weiter aus. Für mich war das hervorragend, jedoch habe ich deutliche Zweifel, daß die Schüler auch nur einen kleinen Teil dessen verstanden, was er so erzählte. Für mich hingegen: Zeitzeugen und zudem Panzerfahrzeuge? Das war ein erfolgreiches Abbiegen.

PANZER

Auf dem weiteren Weg durch den Harz kam ich mal wieder an einem Schild vorbei, daß für eine Attraktion warb, diesmal waren es Tropfsteinhöhle. Mein Gedächtnis mag mich täuschen, aber ich denke die eine war die Baumannhöhle, die andere hieß… anders. Ich war natürlich wieder spät dort angekommen, da ich mir sehr ausführlich den Harz angeschaut hatte, der wirklich eine Reise wert ist. Wenn man gerne wandert. Wie dem auch sei, ich überwand mich, gab das Geld aus und erstand mir eine Karte für eine Führung. Wie könnte es auch anders sein, es war die letzte Führung des Tages. Statt wie üblich so ca. 50 ältere Herren und Damen als Begleitung im Höhlensystem zu haben, kamen neben meiner einer noch ein kleiner Junge und dessen Vater mit in die Unterwelt. Dort konnte der uns Führende sehr eindringlich erklären wer schon alles in dieser Höhle war: Göthe, Leibniz, Humbold, und so weiter und so fort. Leibniz wurde nochmals erwähnt, als es um die Schäden in der Höhle ging. Dieser hat sich nämlich einen Tropfstein abgeschnitten und mit nach Hause genommen. Natürlich nur zur wissenschaftlichen Untersuchung. Unter den Tropfsteinhölen war sie sicherlich nicht die beeindruckenste, aber sie war annodazumal von außen zugänglich, daher die frühe Touristenaktivität. Höhlen mag ich sowieso, weil es einfach ein wenig gespenstisch ist so tief unter der Erde zu sein, mit Brocken über sich, deren Nachbarn bereits runtergekracht sind.

Wirklich angetan war ich von meinem Besuch in der St. Marienkirche in Frankfurt (Oder). In Frankfurt lief ich zunächst durch die Innenstadt, auf der Suche nach einer öffentlichen Toilette. Irgendwann hatte ich genug vom Suchen und bin in die genannte Kirche rein, um mir mal anzuschauen, wie das Backsteinding von Innen aussieht (Backstein ist hier voll trendy, der Mangel an Bergen hat sich doch sehr deutlich auf den Baustil ausgewirkt).

Marienkirche

Innendrin fiel mir erstmal die Leere auf.

Leere

Da war ja nüscht! Gut, die Kirche brannte am Ende des zweiten Weltkrieges komplett aus und stand lange Jahre in der DDR auch nicht gut da. Es konnte wohl dank eines engagierten Bürgermeisters verhindert werden, daß sie gleich ganz abgerissen wurde. Außerdem ist es lange schon eine protestantische Kirche, so daß die Leere erklärbar war. Oh, und es ist keine Kirche mehr, sondern ein Kulturzentrum. Es wird auch vermutlich keine Kirche mehr werden, da Frankfurt (Oder) innerhalb von 20 Jahren von 90000 auf 60000 Einwohner geschrumpft ist und es immernoch mehr als genug Kirchen gibt.
Als ich mir die Leere und die vollkommen langweilige Ausstellung über irgenwelche häßlichen Architekturprojekte genug angeschaut hatte, wollte ich noch kurz die Kirchenfenster anschauen. Diese wurde wohl erst 2007 wieder von Rußland zurückgegeben. Auf dem Weg dahin erblickte ich ein Ehepaar und deren (vermutlichen) drei Töchter. Vom ersten Blick her konnte ich sofort eine Schublade aufmachen, die mit „religious nuts“ beschriftet ist. Ich weiß nicht genau, ob es am Kleidungs- oder Frisurstil lag, oder an der gekonnten Kombination beider Kriterien. So oder so, sie gehörten meiner Ansicht nach in die Schublade. Als ich dann auf dem Weg nach draußen war, es gab in der Leere nichts mehr zu sehen, hörte ich plötzlich mehrstimmigen Gesang von Frauen aus einem Seitenschiff. Kirchliche Choräle in einer Kirche, gesungen von Personen, die das offensichtlich häufiger machen und auch können. Ich muß zugeben, ich bekam eine Gänsehaut und schaute mir noch einmal die langweilige Ausstellung an, um Zeit zu schinden. Ich wollte das definitiv zu Ende anhören. Ich überlegte mir kurz, ob ich das irgendwie aufzeichnen könnte, aber die Stimmung wäre dabei nicht rübergekommen und hätte den Moment zerstört. Leider endete das Stück irgendwann, mittlerweile war der Vater zu seinen Damen gelaufen und plauschte mit ihnen. Um dann das nächste Stück zu fünft zu singen. Ja, auch da war wieder Gänsehaut angesagt. Ich kannte das Lied sogar aus meinen Zeiten in einer evangelischen Schule, aber noch nie hatte es diesen Effekt. Es war einfach umwerfend und ein sehr glücklicher Zufall. Meine Schublade hatte also gepaßt, nur sollte ich mir die negative Konnotation nochmal durch den Kopf gehen lassen. Vielleicht auch die Sache mit den Schubladen. Naja, vielleicht erstmal eine Sache nach der anderen.
Nach dem zweiten Gesangesstück war dann leider wirklich Schluß und die Familie verließ die Kirche. Ich war auf dem Weg nach draußen, als mich ein Mann (der Turmführer) fragte, ob ich auch noch auf den Turm mit hochwolle, um eine Führung mitzumachen. Zwei weitere Besucher wären schon mit dabei. Da konnte ich wieder mal nicht Nein sagen, und es wurde wieder mal eine sehr persönliche Führung. Er zeigte uns oben dann alte Zeichnungen und Bilder der Kirche vor ihrer Zerstörung und vor dem Wiederaufbau, erklärte uns anhand einer mittelalterlichen Karte den Stadtaufbau und deutete jeweils in die entsprechende Richtung. Zeigte uns den Linné-Park, der so heißt, weil er von Linné erdacht wurde. Dieser hatte die geniale Idee, das Gebiet der abgerissenen Verteidigungsanlagen nicht gleich wieder zuzubauen. Er ließ statt dessen dort einen Park entstehen, der ein prächtiges grünes Band in der Stadt bildet, das sogar die DDR-Bauwut überstand. Durch die Führung durch die Stadt (von der Turmspitze aus) konnte ich erkennen wo die Stadt mal schön war, wo ihr Glanz noch erhalten ist.

Das Rathaus von oben

Von unten ist das nicht so leicht, da vieles einfach Plattenbauten sind, die sicherlich kein schönes Stadtbild abgeben. Aber nicht nur durch diese sehr angenehme Führung konnte ich Frankfurt (Oder) genießen. Auch durch diese Verbindung von renoviert und zerfallen.

Da ist die Halle wieder

Man kann durch die prächtigste Straße laufen und dann kommen plötzlich Industriegebäude mit verrammelten oder eingeschlagenen Fenstern.

Man beachte auch die Halle

Alte Schornsteine, Hallen, die sicherlich mal eine wichtige Funktion innehatten, riesige Gebäude, die einfach nur leer darstehen und Gewächsen unterschiedlichster Größe einen Boden bilden.

Schornstein

Diese leicht post-apokalyptischen Ansichten finden sich – wie gesagt – direkt neben neuen oder sanierten Wohnhäusern und gefallen meinen Augen sehr.

Postmodern-oder-apokalytisch

Genug davon für heute. Ich hoffe, ich kann im weiteren Verlauf meiner Reise noch von mehr solchen Erlebnissen berichten. Oh, erst nachdem ich wieder aus der Kirche draußen war, fiel mir auf, daß ich da ja noch was zu erledigen hatte. Zum Glück gab es in der Kirche tatsächlich Toiletten zur Nutzung…

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