Grimms Welt Reisen, Geschichten und Politik

18. Juli 2013

Führungen und anderes

Filed under: Reiseberichte — Grimm @ 22:01

Ich will heute über ein Phänomen reden, welches ich immer wieder auf meinen Reisen erleben darf. Ich scheine irgendwie Glück zu haben, was Führungen angeht und das geht hoffentlich auch nach diesem Eintrag auch so weiter.
Während einer Italienreise lief ich planlos durch Genua und schaute an, was auffiel. Eines der Kleinode, die ins Auge fiel, war eine kleine Kirche.

Eine kleine Kirche

Ich ging hinein und schaute mich interessiert um. Irgendwann kam die Aufsichtsperson — ein Mann so vermutlich um die Mitte dreißig – auf mich zu und präsentierte ein Gemälde voller Stolz. Dazu machte er eigens ein separates Licht an, damit jenes besser wirken konnte. Dann fragte er in seinem italienischen Englisch, ob Lust bestünde das angeschlossene, kleine, nicht-öffentliche Museum der Kirche anzuschauen. Ich antwortete in meinem deutschen Englisch, daß es eine Freude wäre. So führte er durch Nebenkammern, Seitenaufgänge, klimatisierte Räume, in denen die unerwarteten Schätze der Kirche lagen. Vor lauter Erstaunen und Zuhören vergaß ich leider Photos zu machen, aber es waren kunstvolle Schnitzereien zu sehen, erste Versuche deutscher Maler in Italien perspektivisch zu zeichnen (köstlich!). Sozusagen: „… fast so schlecht wie das Bild von Malte!“ (Zitat Fr. von Poser in einer der quälenden Kunststunden). Es war begeisternd und ich verließ die Kirche verzückt und verwirrt nach dieser überraschenden privaten Führung.
Danach ging dieses Glück ein wenig schlafen und erwachte erst in diesem Urlaub wieder. Zunächst einmal fand ich mich zufälligerweise in einem Grenzmuseum wieder. Ich hatte das Schild am Straßenrand gesehen und dachte mir: Na gut, das paßt noch rein. Nicht wirklich, ich kam so ca. 15 Minuten bevor das Ding schließen sollte. Ich lief nichtsdestoweniger zur Kasse und bat um Einlaß.

Das Museum

Man beachte bitte das Hinweisschild, ich finde es paßt irgendwie zum Thema.

Passt doch zum Thema

Die Dame sagte dazu nur, ich solle mich einer Gruppe tschechischer Schüler anschließen, die gerade mit einer Führung angefangen hatte. Zudem führte sie aus, daß ich auch nicht so viel zahlen müsse, da es ja schon so spät sei. Ich fügte mich diesem Schicksal (weniger zahlen und eine Führung!) und hörte den Erzählungen eines Zeitzeugen zu.

Letzte Strecke

Der Mann konnte sehr bildlich die Zeit wiederaufleben lassen, verwendete dazu sehr facettenreiche Sprache und holte oftmals etwas weiter aus. Für mich war das hervorragend, jedoch habe ich deutliche Zweifel, daß die Schüler auch nur einen kleinen Teil dessen verstanden, was er so erzählte. Für mich hingegen: Zeitzeugen und zudem Panzerfahrzeuge? Das war ein erfolgreiches Abbiegen.

PANZER

Auf dem weiteren Weg durch den Harz kam ich mal wieder an einem Schild vorbei, daß für eine Attraktion warb, diesmal waren es Tropfsteinhöhle. Mein Gedächtnis mag mich täuschen, aber ich denke die eine war die Baumannhöhle, die andere hieß… anders. Ich war natürlich wieder spät dort angekommen, da ich mir sehr ausführlich den Harz angeschaut hatte, der wirklich eine Reise wert ist. Wenn man gerne wandert. Wie dem auch sei, ich überwand mich, gab das Geld aus und erstand mir eine Karte für eine Führung. Wie könnte es auch anders sein, es war die letzte Führung des Tages. Statt wie üblich so ca. 50 ältere Herren und Damen als Begleitung im Höhlensystem zu haben, kamen neben meiner einer noch ein kleiner Junge und dessen Vater mit in die Unterwelt. Dort konnte der uns Führende sehr eindringlich erklären wer schon alles in dieser Höhle war: Göthe, Leibniz, Humbold, und so weiter und so fort. Leibniz wurde nochmals erwähnt, als es um die Schäden in der Höhle ging. Dieser hat sich nämlich einen Tropfstein abgeschnitten und mit nach Hause genommen. Natürlich nur zur wissenschaftlichen Untersuchung. Unter den Tropfsteinhölen war sie sicherlich nicht die beeindruckenste, aber sie war annodazumal von außen zugänglich, daher die frühe Touristenaktivität. Höhlen mag ich sowieso, weil es einfach ein wenig gespenstisch ist so tief unter der Erde zu sein, mit Brocken über sich, deren Nachbarn bereits runtergekracht sind.

Wirklich angetan war ich von meinem Besuch in der St. Marienkirche in Frankfurt (Oder). In Frankfurt lief ich zunächst durch die Innenstadt, auf der Suche nach einer öffentlichen Toilette. Irgendwann hatte ich genug vom Suchen und bin in die genannte Kirche rein, um mir mal anzuschauen, wie das Backsteinding von Innen aussieht (Backstein ist hier voll trendy, der Mangel an Bergen hat sich doch sehr deutlich auf den Baustil ausgewirkt).

Marienkirche

Innendrin fiel mir erstmal die Leere auf.

Leere

Da war ja nüscht! Gut, die Kirche brannte am Ende des zweiten Weltkrieges komplett aus und stand lange Jahre in der DDR auch nicht gut da. Es konnte wohl dank eines engagierten Bürgermeisters verhindert werden, daß sie gleich ganz abgerissen wurde. Außerdem ist es lange schon eine protestantische Kirche, so daß die Leere erklärbar war. Oh, und es ist keine Kirche mehr, sondern ein Kulturzentrum. Es wird auch vermutlich keine Kirche mehr werden, da Frankfurt (Oder) innerhalb von 20 Jahren von 90000 auf 60000 Einwohner geschrumpft ist und es immernoch mehr als genug Kirchen gibt.
Als ich mir die Leere und die vollkommen langweilige Ausstellung über irgenwelche häßlichen Architekturprojekte genug angeschaut hatte, wollte ich noch kurz die Kirchenfenster anschauen. Diese wurde wohl erst 2007 wieder von Rußland zurückgegeben. Auf dem Weg dahin erblickte ich ein Ehepaar und deren (vermutlichen) drei Töchter. Vom ersten Blick her konnte ich sofort eine Schublade aufmachen, die mit „religious nuts“ beschriftet ist. Ich weiß nicht genau, ob es am Kleidungs- oder Frisurstil lag, oder an der gekonnten Kombination beider Kriterien. So oder so, sie gehörten meiner Ansicht nach in die Schublade. Als ich dann auf dem Weg nach draußen war, es gab in der Leere nichts mehr zu sehen, hörte ich plötzlich mehrstimmigen Gesang von Frauen aus einem Seitenschiff. Kirchliche Choräle in einer Kirche, gesungen von Personen, die das offensichtlich häufiger machen und auch können. Ich muß zugeben, ich bekam eine Gänsehaut und schaute mir noch einmal die langweilige Ausstellung an, um Zeit zu schinden. Ich wollte das definitiv zu Ende anhören. Ich überlegte mir kurz, ob ich das irgendwie aufzeichnen könnte, aber die Stimmung wäre dabei nicht rübergekommen und hätte den Moment zerstört. Leider endete das Stück irgendwann, mittlerweile war der Vater zu seinen Damen gelaufen und plauschte mit ihnen. Um dann das nächste Stück zu fünft zu singen. Ja, auch da war wieder Gänsehaut angesagt. Ich kannte das Lied sogar aus meinen Zeiten in einer evangelischen Schule, aber noch nie hatte es diesen Effekt. Es war einfach umwerfend und ein sehr glücklicher Zufall. Meine Schublade hatte also gepaßt, nur sollte ich mir die negative Konnotation nochmal durch den Kopf gehen lassen. Vielleicht auch die Sache mit den Schubladen. Naja, vielleicht erstmal eine Sache nach der anderen.
Nach dem zweiten Gesangesstück war dann leider wirklich Schluß und die Familie verließ die Kirche. Ich war auf dem Weg nach draußen, als mich ein Mann (der Turmführer) fragte, ob ich auch noch auf den Turm mit hochwolle, um eine Führung mitzumachen. Zwei weitere Besucher wären schon mit dabei. Da konnte ich wieder mal nicht Nein sagen, und es wurde wieder mal eine sehr persönliche Führung. Er zeigte uns oben dann alte Zeichnungen und Bilder der Kirche vor ihrer Zerstörung und vor dem Wiederaufbau, erklärte uns anhand einer mittelalterlichen Karte den Stadtaufbau und deutete jeweils in die entsprechende Richtung. Zeigte uns den Linné-Park, der so heißt, weil er von Linné erdacht wurde. Dieser hatte die geniale Idee, das Gebiet der abgerissenen Verteidigungsanlagen nicht gleich wieder zuzubauen. Er ließ statt dessen dort einen Park entstehen, der ein prächtiges grünes Band in der Stadt bildet, das sogar die DDR-Bauwut überstand. Durch die Führung durch die Stadt (von der Turmspitze aus) konnte ich erkennen wo die Stadt mal schön war, wo ihr Glanz noch erhalten ist.

Das Rathaus von oben

Von unten ist das nicht so leicht, da vieles einfach Plattenbauten sind, die sicherlich kein schönes Stadtbild abgeben. Aber nicht nur durch diese sehr angenehme Führung konnte ich Frankfurt (Oder) genießen. Auch durch diese Verbindung von renoviert und zerfallen.

Da ist die Halle wieder

Man kann durch die prächtigste Straße laufen und dann kommen plötzlich Industriegebäude mit verrammelten oder eingeschlagenen Fenstern.

Man beachte auch die Halle

Alte Schornsteine, Hallen, die sicherlich mal eine wichtige Funktion innehatten, riesige Gebäude, die einfach nur leer darstehen und Gewächsen unterschiedlichster Größe einen Boden bilden.

Schornstein

Diese leicht post-apokalyptischen Ansichten finden sich – wie gesagt – direkt neben neuen oder sanierten Wohnhäusern und gefallen meinen Augen sehr.

Postmodern-oder-apokalytisch

Genug davon für heute. Ich hoffe, ich kann im weiteren Verlauf meiner Reise noch von mehr solchen Erlebnissen berichten. Oh, erst nachdem ich wieder aus der Kirche draußen war, fiel mir auf, daß ich da ja noch was zu erledigen hatte. Zum Glück gab es in der Kirche tatsächlich Toiletten zur Nutzung…

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