Mitte September bin ich endlich in der Türkei angekommen, meinem eigentlichen Reiseziel (nachdem sich der Iran durch seine doofen Einreiseregeln – carnet de passage für 300 Euro, 5000 Euro auf Treuhandkonto, Visum– rausgekegelt hat). Die Einreise stellte ich mir leicht vor, der Mann am Schlagbaum schickte mich darum erstmal wieder zurück in das Haus, welches ich gewieft umfahren hatte. Ich brauchte einen Einreisestempel für mich und meinen Bus. Lustigerweise ist das Visum für das Auto länger haltbar als mein Reisepaß.
Danach tingelte ich langsam durch den europäischen Teil und versuchte in das Land hereinzufinden, welches sich doch schon deutlich vom Rest der bisher besuchten Länder unterscheidet. Vor allem fallen dabei die Rufe der Muezzine auf, die sehr regelmäßig über die Lande schallen. Mittlerweile finde ich sie nerviger als die normalen Kirchenglocken, aber das Terrorläuten der deutschen Kirchen zu mir unbekannten Anlässen läßt immer noch jeden Muezzin alt aussehen. Viele wilde Hunde scheinen die Rufe nicht zu mögen, so daß es häufiger zu einem Duett zwischen dem rufenden/singenden Muezzin und den jaulenden Hunden kam. Man sollte meinen, daß die sich wenigstens daran gewöhnt haben sollten.
Ich fuhr nach ein paar europäischen Tagen auf die asiatische Seite des Landes… Leider verfuhr ich mich so derbe, so daß ich mehr oder weniger durch die komplette Altstadt Istanbuls fuhr und den schönsten Innenstadtinfarkt mitbekam. Auf der Bosporusbrücke sagte mir dann das Zollsystem, daß ich nicht registriert sei, was durchaus stimmte. Von einem anwesenden Wachmann wurde ich aber weitergewunken. Wie ich mittlerweile weiß, hat man danach 15 Tage Zeit sich einen Mautsticker zu kaufen (z.B. in einer PTT-Filiale, oder auf Autobahnauffahrten, aber nicht auf der Brücke; Fahrzeugschein und Paß mitnehmen). Versäumt man dies innerhalb der Frist, bekommt man wohl eine Strafe bei der Ausreise. (Will ich überhaupt ausreisen?) Dazu noch eine Warnung vorweg: Kauft für Mobiltelephone unter keinen Umständen eine lokale SIM-Karte. Zehn Tage nach der ersten Verwendung wird damit nämlich das Handy theoretisch aus dem Netz verbannt, auch wenn man sofort danach die alte Karte wieder einsetzt. Man muß es sich (maximal einen Monat nach Einreise) erst wieder freischalten lassen (für ca. 50 Euro). Es ist wohl als Diebstahlprävention gedacht. Ich schrieb theoretisch, weil ich zwar eine Warnung per SMS erhielt, aber das Telephon noch immer mit meiner deutschen SIM läuft. Ich hoffe mal, daß das bis zum Ende noch durchhält. Die Mitarbeiter bei z.B. Turkcell verschweigen diesen Teil aber geflissentlich, sie wollen ja eine SIM-Karte verkaufen. Zum Glück habe ich einen „mobile hotspot“ dabei, in welchem die SIM-Karte mir schnelles Internet gibt. Dieser Hotspot ist wohl als solcher erkennbar und wurde bisher nicht gesperrt (toitoitoi). Läßt man das Telephon auf der deutschen Karte laufen, dann passiert nichts weiter, wie ich an Merrits Telephon sehen konnte. Ach ja, Merrit besuchte mich für 14 Tage, über die gemeinsame Fahrt wird der Text auch hauptsächlich gehen.
Wir fingen an mit Istanbul, mußten uns dazu aber erstmal wieder auf die europäische Seite zurückkämpfen, da dort der interessantere Teil und unser angepeilter Stellplatz waren. Letzterer lag ca. 500m Luftlinie von der Blauen Moschee entfernt, so daß wir nach dem Höllentrip den Bus in Istanbul erst wieder auf dem Weg nach Asien bewegten. Der Platz ist nicht wirklich wunderschön, es ist einfach ein Parkplatz, auf dem viele Camper schlafen und abends die Istanbuler Jugend in ihren Autos ihre Fummelei erlebt. Weswegen der Platz auch am besten tagsüber anzufahren ist, abends ist er voller Pärchen. Es gibt eine Toilette, die man nicht betreten sollte, lieber eine Lira irgendwo ausgeben, als sich diesen Ort anzutun. Es gibt keinen Strom und keine Duschen (was den Aufenthalt in Istanbul mit VW-Bus dann irgendwie limitiert). Aber die Aussicht und die Lage sind einfach hervorragend und die Übernachtung kostet nicht viel (20 Lira).
Wir liefen drei Tage durch Istanbul, mehr oder weniger planlos. Wir besichtigen die Basilika-Zisternen, welche wirklich beeindruckend sind. Wir schauten uns die Hagia Sophia an, bei der ich feststellen konnte, daß die „osmanischen Horden“ bei ihren Eroberungszügen zumindest einen Sinn für Kultur hatten, weil sie die Kirchen meist nicht abrissen, sondern in Moscheen umwandelten. Ich habe im Gegenzug nicht viele Moscheen in ehemaligen Gebieten des osmanischen Reiches auf dem Balkan gesehen… Natürlich schauten wir uns auch die Blaue Moschee an, steht sie doch der Hagia mehr oder weniger gegenüber. Aber ehrlich gesagt sind die Denkmäler der Stadt nicht so interessant wie das Leben in der Stadt (und im Land) selbst. Darum wird der Text auch jetzt nicht streng chronologisch geführt werden, sondern irgendwie nach Inhalten sortiert, sofern das möglich ist.
Wir liefen in Istanbul durch viele touristische Gebiete, wo man alle paar Meter angelockt und angequatscht wird. Unser Lieblingsspruch eines Verkäufers war dabei definitiv „Please spend your money“. Taten wir nicht. Aber dabei muß man sagen, die Leute blieben allzeit freundlich. Mit einem syrischen Studenten plauderten wir danach noch nett weiter, als klar war, daß wir keine Bootstour haben wollten. Er lud uns bei einem späteren Wiedertreffen auf seinem Heimweg zu sich nach Hause ein. (Merrit ärgert sich noch immer, daß wir ablehnten.) Ein anderer Plauderer (ohne was verkaufen zu wollen) schlug mir auf Deutsch vor, daß ich doch mit dem Schiff in den Libanon einreisen solle, weil der viel besser sei, als die Türkei. Ich glaube nicht, daß ich das machen werde. Immerhin sah er ein, daß die Landverbindung nicht so toll ist, weil sie über Syrien führt („Syrien kaputt“). Besonders nett waren auch ukrainische (Kultur-)Studenten, die uns Nippes aus ihrem Land verchecken wollten. Als ich sie darauf scherzhaft darauf hinwies, daß sie zumindest schon die türkische Verkaufskultur gut beherschen würden, zogen sie lachend weiter. Wir waren wohl nicht die Zielgruppe.
Während unseres Aufenthaltes gab es noch ein koreanisch-türkisches Festival, bei dem Musik, Rituale und Taek Won Do gezeigt wurden. So konnten wir beste koreanische Trommelmusik hören, eine koreanische Hochzeitszeremonie erleben und sahen wie viel besser die Koreaner im Kampfsport sind im Vergleich zu den Türken. Beeindruckend war dabei, daß die Spinner mit ihren Kicks (und ein wenig Sprunghilfe) Balsaplatten in 5 Metern Höhe trafen. Ohne Hilfe schafften sie ca. 3-4 Meter, was auch ganz nett ist. Korea wäre sicherlich auch mal einen Besuch wert, zumindest der Süden.
Als wir auf unseren Wanderungen mal die touristischen Gebiete hinter uns ließen, fanden wir die „Viertel“. Diese definiere ich einfach mal als Geschäftsviertel in denen nur ähnliche Sachen verkauft werden. Es gab die Gürtelschnallenviertel, die Fleischviertel, die Gürtelgurtviertel, die Nähmaschinenmall (ca. 20-30 große Geschäfte, die Maschinen verschiedener Hersteller verkauften und reparierten), die Autoviertel, die normalen Barviertel, die Gewürzviertel, … Faszinierend, wie sich das hier noch erhalten hat. In Deutschland findet man das allenfalls noch im Autobereich noch ein wenig. Vor allem die Nähmaschinenmall war wirklich beeindruckend.
Was wir auch noch erfahren durften: Man kommt mit Englisch und Deutsch gut durch, sofern man viele Sachen kaufen will, die man nicht braucht oder will. Will man Sachen tatsächlich erwerben, dann gerät man mit ziemlicher Sicherheit an Leute, die keine andere Sprache außer Türkisch können. Klar, ich kann auch kein Türkisch, aber ich hatte das so in Istanbul nicht erwartet. Meine Versuche bei Turkcell irgendwie auf Englisch/Deutsch zu kommunizieren waren zum Scheitern verurteilt. Doch, einen Mitarbeiter gab es, der Englisch konnte. Der wollte mich aber auch gleich um 5 Euro bescheißen. (4GB Flatrate für 55 TL statt 40TL verkaufen) Ich bemerkte das erst, als ich die Flatrate am nächsten Tag in einem anderen Laden holte, weil ich am Vortag meinen Reisepaß nicht dabei hatte. Aber das war auch tatsächlich das einzige Mal, daß ich einen Betrugsversuch (wenn auch nachträglich) bemerkte. Denn was hier absolut hervorsticht: die unglaubliche Freundlichkeit der Türken. Merrit drückte es so aus: „Die negativste Erfahrung mit einem Türken war eventuell eine neutrale Miene“. Aber auch diese sahen wir seltenst.
Man muß dazu sagen, man wird außerhalb von Istanbul (zumindest im Norden des Landes) angestarrt wie ein Westler in Shenzen in China. Aber nicht böse, sondern sehr interessiert. Man wird ständig von Leuten mit „hello“ begrüßt, vor allem Jugendliche freuen sich sehr darüber ihr „Englisch“ zu beweisen. Immer mal wieder erkennt der erfahrene Türke den Deutschen in uns und quatscht uns direkt auf Deutsch an. Mal um uns suchend Dreinblickenden den Weg zu weisen, mal einfach nur um mal wieder Deutsch zu sprechen. Auch wenn keine Kommunikation über Worte möglich ist, so wird halt mit Händen und Füßen geredet. So wurden Merrit und ich von zwei Polizisten und deren Mittagspausenfreunden zu zwei Tee eingeladen, nachdem wir uns auf die lokale Festung und wieder zurück gekämpft hatten. Die Tee waren lecker, die Unterhaltung zwangsläufig eingeschränkt, aber es war saulustig.
Interessant war auch der Besuch eines Campingplatzes, bei dem wir von einem Mitarbeiter die Preise (auf Englisch!) erfuhren. Diese waren doch ziemlich hoch, besonders wenn man das Niveau der Plätze kennt. Der Mitarbeiter erkannte an unsrer Reaktion, was wir dachten und stimmte uns zu. Und wies uns darauf hin, daß näher am Strand noch ein Platz wäre, der günstiger sei, wir sollten aber seinem Chef nicht von diesem Hinweis erzählen. Wir stimmten zu und verließen ohne ein Wort an den Chef den Platz und fuhren zu billigeren Alternative. Dort erwartete uns eine saubere, heiße (!) Dusche, erstaunlich angenehm nach dem duschenlosen Istanbul. Der Platzbesitzer schickte uns aber auch statt in die nicht so dolle und vor allem kalte Dusche in eine Hütte, die man dort auch mieten konnte. Paradiesisch.
Und noch eine Geschichte zu Verkäufern, die nicht nur freundlich sind, wenn sie verkaufen können. Ich wollte eigentlich gestern einen Ölwechsel machen, weil es so langsam an der Zeit wäre. Dazu gehört aber auch ein Filterwechsel, nur leider gibt es das entsprechende Modell nicht in der Türkei, weil der Motor des Busses hier nicht verkauft wurde. Dies erfuhr ich während einer mir angebotenen Tasse Tee, nachdem der Mechaniker eine längere Weile per Telephon Infos gesucht hatte. Ich ließ dann aber noch die Hinter- und Vorderreifen vertauschen, weil das Profil an den Antriebsrädern während der letzten 10.000km etwas niedriger wurde. Zudem bat ich um einen kurzen Blick auf den Wagen, um eventuelle Probleme zu erkennen. Nach ca. 2 Stunden war der mögliche Teil erledigt, zudem waren alle Flüssigkeiten des Autos nachgefüllt. Als ich dann zahlen wollte, verneinte der Mechaniker und schickte mich von dannen. Ich verstand es erst nicht richtig, aber ein fragendes Tammam (OK?) wurde mit tammam beantwortet. Sehr freundlich und hilfsbereit.
Damit komme ich zum notwendigen Thema Autos und Verkehr. Autofahren ist hier wiedermal superteuer. Diesel kostet hier zwischen 1,60 Euro und 1,90 Euro (die Unterschiede sind durchaus auch in 1 km Abstand zu finden!), Benzin ist noch teurer. Ich weiß nicht, wie sich Standardarbeitnehmer das leisten können, denn die Löhne sind wohl ziemlich niedrig. Erstaunlicherweise gibt es hier aber im Vergleich zu allen anderen besuchten Ländern unglaubliche Mengen an Tankstellen. So viele habe ich bisher noch nie gesehen. Da häufen sich 4-6 in kürzestem Abstand, oftmals mit höchst unterschiedlichen Preisen. Wie die teuren da überleben können weiß ich wirklich nicht. Dafür habe ich mittlerweile so an das Fahren gewöhnt, daß mich die Regellosigkeit gar nicht mehr so stört. Dann sind vor der Ampel hat 5 Spuren, auch wenn es nur drei eingezeichnete gibt. Da wird halt im Zickzack überholt. Ich fahre so, wie ich will und lasse mich von dem Irrsinn der anderen nicht mehr irritieren. Sollense doch. 🙂 Ich bin mal gespannt, wie es sich danach in Deutschland fährt, wo die Leute meistens blinken, wenn sie die Spur wechseln (was bei der Häufigkeit des Wechselns hier vermutlich irritierend wirken würde). Wo sie sich meist ein wenig an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten. Es wird wohl paradiesisch und langweilig.
Was beim Durchfahren der Türkei auffällt, das ist definitiv die Bauaktivität. Es werden Straßen gebaut, als müsse man sich auf einen Verkehrsansturm vorbereiten (der aber nicht kommt). Dicke 4-6-spurige Straßen werden durch das Nirgendwo geführt, netterweise zählen sie nicht als Mautstraßen. Es wird eine dicke Pipeline gezogen und überall sieht man Gebäude hochschießen. Manchmal ist dabei aber auch wohl dann das Geld alle. Man sieht überall Gerippe rumstehen, Gebäude bei denen das Stahlbetongerüst errichtet wurde, eventuell noch ein paar Mauern geziegelt wurden, aber das war es dann häufig auch. Von den 3-6 Stockwerken haben dann eventuell 1-2 mal Fenster, vermutlich werden die dann auch bewohnt. Der Rest steht leer. Manchmal ist auch nicht bewohnt und das Gerippe verfällt nach Jahren wieder, was wir auch häufig sahen. Und das passiert nicht an ein-zwei Orten, das ist so verbreitet, daß es auf jeden Fall auffällt, wenn man hier her kommt. Wird da nicht richtig gerechnet, bevor gebaut wird?
Eine weitere Sache, die in der Türkei auffällt: Müll. Man findet diesen überall. Es macht keinen Unterschied, ob man am schönsten Ort des Landes ist, oder im letzten Kaff. Überall liegt Müll. Ist irgendwo ein Abhang? Hin mit dem alten Sofa, mit der Matratze, mit dem Hausmüll. Das ist vermutlich noch nicht mal alles nur illegal. Wir sahen ein Müllauto, welches den gesammelten Müll einfach an der Küste des Schwarzen Meeres runterfallen ließ. Da war sogar extra die Leitplanke herabgelassen. Praktisch. Das erklärte auch die immer wieder „verzierten“ Küstenabschnitte. Da fühlte man sich schlecht den Müll in die Sammelkontainer zu packen, wenn man das sah.
Ich weiß, ich hatte im letzten Bericht schon von Müll geredet, aber hier ist das Niveau ein ganz anderes. Vielleicht wird es am Mittelmeer noch besser, aber ich bezweifle es. Offensichtlich besteht da kein Bewußtsein, daß ein Platz ohne Müll tatsächlich angenehmer ist, nicht nur, weil man dann nicht Gefahr läuft in eine Glasscherbe zu dappen. Da wird geworden, niedergelegt, verklappt, als gäbe es keine Deponien oder Verbrennungsanlagen. Von Recyclingsanlagen ganz zu schweigen. Es ist wirklich bitter, weil das Land traumhaft schön ist, die Hinterlassenschaften aber lange überdauern werden. Vermutlich wird es erst als Problem erkannt, wenn die Lohnkosten so hoch sind, daß niemand mehr bezahlt werden kann, der den Scheiß wieder einsammelt. OK, es gibt solche Leute schon. In den Städten wird das sehr fleißig gemacht, da sieht es verhältnismäßig sauber aus. Außerhalb der Städte habe ich solche Sammler erst einmal gesehen, aber man merkte den Unterschied sofort. Naja, vermutlich muß jede Nation da mal durch und kann nicht von den Sünden anderer lernen.
Hiermit beende ich den ersten Teil über die Türkei, im nächsten berichte ich dann über den Abbruch der Ostbewegung wegen eines Wintereinfalls (da sieht man, ich lerne aus den Fehlern meiner Vorfahren… 😉 ) und über die wunderschöne Mittelmeerküste. Ab in die Galerie! (Oh, man kann die Bilder vergrößern, indem man draufklickt.)